Im Odenwald wohnten vor Zeiten im Lautertal zwei Riesen. Der eine auf dem Felsberg, der andere auf der gegenüber liegenden Talseite am Hohenstein. Beide bekamen Streit miteinander. Der Felsberg war damals noch ziemlich kahl, aber auf dem Hohenstein lagen Felsblöcke in Mengen, so dass der Hohensteiner Riese im Vorteil war. Er warf so heftig auf den Felsberger los, dass dieser nach kurzer Zeit unter den Felsen begraben war. Wenn man heute noch hart auf den Boden des Felsberges auftritt, dann brüllt der ungeschlachte Riese drunten.

...so erzählt es eine der unzähligen Sagen vom Felsberg.

Der Felsberg, 515 m hoch, an der Wasserscheide der nördlichen Bergstrasse, die von Malchen über den Felsberg bis zur Neunkircher Höhe und weiter in den südöstlichen Odenwald verläuft, ist er gelegen. Die wesentlich nüchternere Erklärung der Geologen für die Entstehung des Felsberges ist, dass der nördlich von Reichenbach oberhalb des Felsenmeeres gelegene Felsberg aus Syenit besteht, einem granitähnlichen, in der Tiefe der Erdkruste entstandenen Magmatitgestein. Infolge der Verwitterung im Laufe von Jahrmillionen, unter Einwirkung von Wasser, Frost und Pflanzen, ist besonders harter Grus abgesprengt worden. Durch Auswaschungen fielen diese Brocken in einer Mulde von einem Kilometer Länge zusammen. An den südlichen und östlichen Abhängen wurden vom Gipfel bis in die Täler die verwitterten Blöcke von Erde, Sand und kleinerem Gestein freigespült. Es entstand in den Jahrtausenden das Felsenmeer, bzw. die Felsenmeere, hier einzeln, dort gruppenweise regellos neben- und übereinander geschichtet. Viele Blöcke tragen Spuren einer Bearbeitung durch römische Steinmetze, die mit hoch stehender Technik vor fast 2000 Jahren das Syenitlager als Steinbruch nutzten. Zahlreiche von ihnen geschaffene Säulen und Werkstücke aus Felsberg-Syenit fanden ihren Weg unter anderem bis nach Aachen und Trier, wo sie z.B. an Gebäuden im Trierer Dombereich verwendet und dort wieder gefunden wurden. Über 300 teilweise bearbeitete Steine haben sie hier im Odenwald hinterlassen, besonders zu nennen sind die Riesensäule und der Altarstein. In andere teilbearbeitete Steinbrocken hat man Formen hineininterpretiert, so z.B. die Riesenrutsche, den Riesensessel, die Tischplatte, den Riesensarg, das Riesenschiff oder den Krokodilfelsen.

Wen könnte es da verwundern, dass dieses Naturschauspiel auch heute noch ein beliebtes Ausflugsziel ist und schon vor über 120 Jahren für Albrecht Hans Friedrich Christian Karl Ohly (1829-1891), den wir unter anderem in seiner Eigenschaft als Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt (1874-1891) kennen gelernt haben, ein beliebter Anlaufpunkt war, um den Stress des politischen Alltags auszugleichen.

Die Familiengeschichte erzählt, er sei mit Farbeimer und Pinsel losgezogen, um besonders schöne Wanderwege im Odenwald zu markieren. Aber er hat noch mehr bleibende Spuren im Odenwald hinterlassen.

Eine ehemalige Ziegelhütte, eine unregelmäßige, geschlossene Hofanlage aus der Zeit um 1800, steht am Ortsausgang von Zipfen am Otzberg. Sie war einst Gaststätte, Pension und populäres Ausflugsziel und ist zu einem Denkmal geworden, das für die Heimatgeschichte des gesamten Odenwaldes wichtig geworden ist. Hier im Vorderhaus, im Gasthof Becker, trafen sich 71 Vertreter aus allen Kreisen der Bevölkerung Hessens und gründeten den Odenwaldclub. Eine Gedenktafel erinnert noch heute an die Gründungsversammlung am 5. Januar 1882. Noch im gleichen Jahre erfolgte darauf aufbauend die Gründung der Sektion Darmstadt, deren Leiter Albrecht Ohly war und blieb. Der heutige Ehrenvorsitzende des Odenwaldclubs, Herr Friedel, weiß zu berichten, dass er auch 2 Jahre lang Vorsitzender der Gesamtsektion war. Die Wander- und Naturvereine hatten sich nicht nur zum Ziel gesetzt, gekennzeichnete Wanderwege anzulegen, Fremdenführer herauszugeben und ihren Mitgliedern die Naturschönheiten nahe zu bringen. Die Verpflichtung, sich für Landschaftsschutz und Brauchtumspflege einzusetzen, fand ebenfalls schon früh Aufnahme in die Vereinsstatuten. Oberbürgermeister Ohlys Verdienst bestand darüber hinaus darin, dass er den Mitgliedern des Odenwaldclubs auch den Gedanken der Denkmalspflege vermittelte.

Seiner Initiative ist die Sicherung der Ruine Rodenstein zu verdanken, aber auch das Bemühen um den Erhalt des Schlosses Lichtenberg geht unter anderem auf ihn zurück. Es wird auch erzählt, dass er ein allzeit fröhlicher Wanderer war, der trotz aller beruflichen und politischen Verpflichtungen Kontakt zu jedem Wanderkameraden pflegte und jedem, der auf ihn zukam, auch seelisch etwas mit auf den Weg gab.

Noch zu seinen Lebzeiten wurden ihm vom Odenwaldclub der „Albrechts-Tempel“ auf dem Rabenfloßkopf sowie auf dem Schnellert mit der sagenumwobenen Ruine Schnellert (350 m hoch, bei Stierbach im Gersprenztal, ca. 14 km Luftlinie östlich des Felsberges) der hölzerne Ohly-Turm gewidmet.

Der Turm wurde 1891 von einem Frankfurter Ingenieurbüro geplant und von Schreinermeister Keil aus Niederkainsbach mit einer Höhe von 12 m erbaut, die Kosten betrugen 700,00 Gold-Mark. Alle zwei Jahre wurde er für 90,00 Gold-Mark frisch gestrichen, aber dennoch musste er wegen Baufälligkeit später abgerissen werden. So auch der Albrechts-Tempel, an seiner Stelle erinnert das 1895 in Neunkirchen eingeweihte Ohly-Denkmal heute noch an den damaligen Vorsitzenden Albrecht Ohly.Die Geschichte des Ohly-Turmes auf dem Felsberg begann durch einen Antrag des Odenwaldclubs, Sektion Darmstadt, vertreten durch den Vorsitzenden, Ministerialrat Ernst Albrecht Braun, m.E. der Neffe von Albrecht Ohly, der am 16. Mai 1900 das Ersuchen an die Großherzogliche Bürgermeisterei Bensheim richtete, „geneigtenst genehmigen bzw. die Zustimmung des Stadtvorstandes und der vorgesetzten Verwaltungsbehörde dazu erwirken zu wollen, dass dem Odenwaldclub der bezeichnete Bauplatz auf dem Felsberg in der angegebenen Größe von 30×30 m in Eigentum überlassen und die Gewinnung des Steinmaterials zu dem Turmbau im Bensheimer Stadtwald gestattet wird!“

Der Stadtvorstand von Bensheim gestattete in einem Revers vom 24.7.1900 nach Anhörung und mit Genehmigung der Forstbehörde und vorbehaltlich kreisamtlicher Genehmigung, den steinernen Aussichtsturm zu errichten, jedoch sollte sich der Sektionsvorstand und seine Rechtsnachfolger für alle Zeiten verbindlich verpflichten:

  • Bei Anlage des Turmes die Regeln der modernen Baukunst in ästhetischer Hinsicht und in Bezug auf Sicherheit zu beobachten und den Anweisungen der Forstbehörde stattzugeben
  • Den Turm in sachgemäßer Weise zu unterhalten
  • An dem Turm ohne Genehmigung des Stadtvorstandes keinerlei Veränderungen vorzunehmen
  • Für alle Unfälle usw., die aus dem Bauwesen und dessen Benutzung entstehen könnten, die Verantwortung zu übernehmen
  • Den Turm auf Verlangen des Stadtvorstandes hin jederzeit auf eigene Kosten sofort wieder zu entfernen und alles wieder in den früheren Zustand zurückzuversetzen, ohne hierfür irgendwelche Entschädigung von der Stadt Bensheim zu beanspruchen.

Im Weigerungsfalle sei die Letztere berechtigt, die Entfernung des Turmes und die Herstellung des früheren Zustandes auf Kosten der Odenwaldclub-Sektion Darmstadt vornehmen zu lassen. Für unentgeltliche Überlassung der Baustelle, der Steine usw. eine alljährliche Anerkennungsgebühr in Höhe von einer Gold-Mark zur Stadtkasse Bentheim zu zahlen.Die Reaktion des Vorsitzenden Braun darauf: „Was kann die Stadt Bensheim für ein Interesse daran haben, Eigentümerin des Grund und Bodens zu sein, auf dem sich demnächst ein für ewigen Bestand berechneter steinerner Turm erhebt?

Ist die Ausführung eines Turmes und die Aufwendung des Baukapitals von 10.000 – 12.000 Gold-Mark zu rechtfertigen, wenn von dem Eigentümer des Grund und Bodens jederzeit die Beseitigung des Turmes verlangt werden kann? Diese Fragen mußten uns zu dem Entschluß führen, unser erstes Gesuch um Überlassung des benöthigten Baugeländes in Eigenthum des Odenwaldclubs Ihnen erneut vorzutragen. Indem wir dies hiermit thun und um geneigte Genehmigung bitten, erlauben wir noch ergebendst zu bemerken, daß die Lokalforstbehörde hiergegen nichts einzuwenden hat, wie eine Rücksprache mit dem dortigen Oberförster ergeben hat!“ Ob die Dringlichkeit des Ersuchens nach Genehmigung wegen „Benutzung der billigen Arbeits- und Fuhrlöhne im Lauf des Winters“ ausschlaggebend war, ist nicht bekannt, jedoch „geschah“ es am 8.11.1900, dass der Großherzogliche Bürgermeister van Gries sowie 14 Generalräthe das gewünschte Gelände unentgeltlich an den Odenwaldclub abtraten, lediglich unter der Bedingung, dass das Gelände für den Fall, „es dem Zwecke, zu dem es bestimmt ist, nicht mehr dient, kostenfrei an die Gemeinde eigenthümlich zurückzugeben ist“ und dass das bei der Abholzung des Holzbestandes auf der zur Abtretung gelangenden Fläche anfallende Holz Eigentum der Stadt bleibe.

Nach dieser Genehmigung wurde das Projekt „steinerner Felsbergturm“ nach Plänen des Architekten G. Scherer aus Darmstadt im Stil des romantisierenden Historismus durch den Maurermeister Rückert aus Darmstadt/Eberstadt in wenigen Monaten errichtet. Die Baukosten beliefen sich auf 17.700 Gold-Mark.

Der mächtige 27 m hohe Turm mit der Aussichtsplattform oben wurde am 6.10.1901 um 12.30 Uhr von der Odenwaldclub-Sektion Darmstadt feierlich eingeweiht und 10 Jahre nach seinem frühen Tode ihrem ersten Vorsitzenden Albrecht Ohly mit einer Bronzetafel über dem Eingang gewidmet.

Die feierliche Einweihung wurde begleitet von einem für diesen Anlass von dem bekannten Heimatdichter Karl Schäfer komponierten Lied:

Durch des Odenwaldes Gauen geht auf´s Neue heut ein Grüßen
Sonntagsglocken hallen lieblich ringsum zu der Berge Füßen
Ohly, deinem Angedenken, edler Freund aus schönen Tagen
Wird nun auf dem Felsberg Scheitel stolz ein Turm zum Himmel ragen.Von den Höhen, aus den Tälern, kommt mir auf den Wanderwegen
In dem Glanze der Erinn´rung oft dein trautes Bild entgegen
Laut zählt zu deinem Ruhme jeder Gipfel, jede Halde
Wie gefördert Glück und Leben du im grünen Odenwalde.Hin sind jene schönen Tage, falb die Buchen rings, die Birken
Doch dem Odenwald zum Segen bleibt dein zielbewußtes Wirken
Durch die heimatlichen Gaue geht auf´s Neue heut ein Grüßen
Und ich lege dir im Geiste wehmutsvoll dies Lied zu Füßen.

Der Wanderer-Aufstieg aus der Rheinebene durch das Balkhäuser Tal zum Felsberg war schon recht beschwerlich. Viele damalige Turmbesucher scheuten jedoch den anstrengenden Fußweg. Zu Pferde oder mit der Kutsche war das Ziel angenehmer zu bewältigen. Schon bald nach der Turmeinweihung wurde auf dem Gelände ein Unterstand für acht Pferde errichtet. Der von Balkhausen in Serpentinen auf den Felsberg führende Forstwirtschaftsweg heißt unter den Einheimischen auch heute noch „der Chaisenweg“. Bis ca. 1937 wurde im Turmsockel sogar ein Kiosk betrieben, um nicht nur die durstigen Wanderer zu versorgen.Um die Zeit um die Jahrhundertwende 1900 wurden angesichts der zunehmenden Wandererbewegungen viele ähnliche Aussichtsturm-Projekte im Stil „historische Wehrtürme“ speziell auf den Höhenlagen der Bergstrasse und des Schwarzwaldes realisiert, so u.a. der Bismarckturm auf dem Donnersberg bei Darmstadt oder der Kaiserturm auf der Neunkircher Höhe. Meist wegen entsprechender Weitsicht nach Westen über den Rhein hinweg wurden aus militärisch-strategischen Gründen im zweiten Weltkrieg viele Türme zweckentfremdet, einige davon wurden zerstört oder danach von anderen Betreibern für deren Zwecke genutzt. So auch der Ohly-Turm. In den 50er Jahren wurde von dem Telekom-Vorgänger auf dem Turm eine Sendeanlage installiert, für die Aussichtsnutzung stand der Turm nicht mehr zur Verfügung. Ende der 70er bis anfangs der 90er Jahre wurden die Sendeanlagen immer mehr erweitert. Die Last der Sendeeinrichtung mit den Richtfunkantennen in Verbindung mit den Windkräften wirkten zerstörend auf die Statik des Turmes. Der Turm selbst wurde gesperrt. Wegen Baufälligkeit wurde der Abriss erwogen. Für eine Komplettsanierung wurde ein für den Odenwaldclub nicht zu finanzierender Kostenblock von 300.000 DM geschätzt.

Im Februar 1993 verkaufte der Odenwaldclub den Turm an Familie Reuters, die seit 1990 das Felsenmeerhotel unmittelbar neben dem Ohly-Turm betreibt (das Hotel wurde 1872 gebaut und war von 1925 bis 1939 Ferienhotel der Firma Lanz Maschinenfabrik, Mannheim, von 1939 bis 1990 Ferienhotel des Deutschen Roten Kreuzes, Darmstadt). Unter der Regie von Familie Reuters wurde der Abbau der Sendeanlage betrieben, die Bausubstanz und die Plattform saniert, der Treppenaufgang mit den Zwischenböden erneuert und ein Stahl-Gittertor installiert, das einerseits ungebetene Gäste abhält, die leider immer wieder neue Schäden durch Vandalismus verursachten, andererseits eine gute Durchlüftung des Turminneren sicherstellt.Heute gilt der Ohly-Turm als besonders prägnantes Beispiel für den romantisierenden Historismus des 19. Jahrhunderts, dessen Vorbilder mittelalterliche Burgen und sonstige Wehrbauten waren. Demzufolge ist der Turm auch als Kulturdenkmal gem. §2 Abs. 1 des hessischen Denkmalgesetzes eingetragen.Es ist höchst anerkennenswert, wenn sich Menschen wie Familie Reuters finden, die mit persönlichem Einsatz ein historisches Bauwerk in Eigentum übernehmen und dieses seiner ursprünglichen Bestimmung, in dem Fall wieder der Nutzung als Aussichtsturm, zuführen.

Im Jahr 2007 wurde der Ohly-Turm von einem Investor gekauft und renoviert, nähere Informationen folgen!